Pressetext (Auszug)
Benjamin Tillig
„Die Arbeit PROJEKTION beschäftigt sich zentral mit der Beziehung von Simulation und Realität. Sie entwirft das Modell einer perspektivischen Bildkonstruktion, jedoch frei von jeglichem illusionistischen Inhalt. Stattdessen bezieht sie sich auf die architektonische Geschichte des Ortes, der Simultanhalle — ursprünglich entstanden als Modell für das Museum Ludwig, ist diese seit einiger Zeit selbst Ausstellungsraum.
Kegelförmig angeordnete Perlonfäden greifen das Modell der Sehstrahlen, das jeder zentral-perspektivischen Bildkonstruktion zugrunde liegt, raumfüllend auf. Einfärbungen auf den Fäden definieren eine imaginäre Bildebene, die den Verlauf der nördlichen Außenwand des Museum Ludwig in ihrer relativen Neigung zur nördlichen Außenwand der Simultanhalle nachvollziehen. Damit wird diese Wand, als Stellvertreter des gesamten Museumsbaus, in die Simultanhalle und damit in das eigene Modell, die eigene Simulation zurückprojiziert.“
Nicht wenige, die zur Ausstellung von Daniela Friebel kamen und einen flüchtigen Blick in die Simultanhalle warfen, dachten wohl, dass ihnen die Künstlerin einen schönen Streich spielt. Schließlich gab es nichts zu sehen, jedenfalls nichts Besonderes außer der Treppe und der Bühne, die zur Halle gehören. Dann kam das große Staunen mit dem zweiten, dritten und vierten Blick. Über Tausend hauchdünne Nylonfäden spannten sich von Wand zu Wand, durchzogen den Raum, aufgefächert in Form einer gekippten Pyramide, die es aber mehr zu erahnen als zu sehen gab. Eine Frage der Perspektive. So waren die meisten Besucher in ständiger Bewegung, von links nach rechts, vor und zurück, treppauf, treppab. Einige krochen sogar unter die Installation, andere tasteten sich vorsichtig an den transparenten Fäden entlang. Von weitem betrachtet, erinnerte es an Pantomime.
Je nach Ort und Lage blitzten die Fäden mal in Teilstücken auf, brachen kurz das Licht, um dann wieder zu verschwinden. Unsere Blicke gingen durch sie hindurch, glitten an ihnen ab und entlang. Auf der einen Seite, dort wo das Spinnwerk an der Nordwand enden musste, sahen wir nichts als eine weiße Wand. Die Fäden schienen sich kurz vor der Wand im Nichts aufzulösen. Nur die Schrauben, die über die ganze Wand ein feines Raster bildeten, gaben uns einen Hinweis darauf, wo die Fäden vermutlich endeten, doch enden mussten. Auf der anderen Seite zog sich das Gespinst an der Südwand zusammen. Was auf der Nordseite noch von Leichtigkeit und Weite war, bündelte sich nun gut sichtbar auf einer kleinen Fläche. Die unzähligen Fäden ließen uns hier ihre Kräfte spüren, die an den wenigen Haken in der Wand zogen. Wie leicht die Konstruktion wohl einstürzen könnte.
Hinter all dem schönen Schein steckt die Idee, den Modellcharakter der Simultanhalle aufzugreifen. Die Architekten Busmann und Haberer errichteten 1979 auf dem ehemaligen Schulhof in Köln-Volkhoven einen Testbau für ein neues Museum am Rhein. Vor allem sollte die Beleuchtung des Raums durch die charakteristischen Sheddächer erprobt werden. Die Nordausrichtung der Dachfenster sorgt in den Räumen für ein sehr gleichmäßiges Licht ohne direkte Sonneneinstrahlung und erinnert an die so genannten Nordfrontateliers der Fotografen des 19. Jahrhunderts.
Daniela Friebel nahm sich den Grundriss des Museums vor und verglich ihn mit dem Testbau. Im Vergleich zur exakten Nordausrichtung des Museum Ludwigs weicht die Simultanhalle um circa 3,3° ab. Die Künstlerin „projizierte“ eine imaginäre Museumswand in die Simultanhalle, markiert durch eine mauerbreite Einfärbung der Nylonfäden. Sie schwebt 1,20 Meter vor der Nordwand, da der Fluchtpunkt der Sehstrahlen 1,20 Meter hinter der Südwand lag – unsichtbar im Verborgenen.