Ausgangspunkt der Arbeit ist ein privates Fotoarchiv mit Reisedias einer deutschen Pastorin. Mit beinahe wissenschaftlicher Genauigkeit notierte sie die technischen Eckdaten jedes Fotos, zusammen mit einem Wort oder einer Wortgruppe, die der Zuordnung der Bilder diente.
“... Daniela Friebel konstruiert ihr eigenes Archiv, das nach dem System und der Intention der Fotografin fragt und dabei allgemein das Verhältnis von Wort und Bild, von Projektion und Wahrnehmung untersucht. Sie filtert, wählt aus und fügt die Fotos in ein neues System von Wort, Bedeutung, Motiv und Komposition.”
(Babette Richter)
von Babette Richter
Das Sehen ist wie das Tasten eines Blinden, der mit seinen Stöcken einen Gegenstand berührt und Signale in seinem Gehirn empfängt, beschrieb es René Descartes. 1692 machte er mit dem Organ Auge ein Experiment (er verwendete dazu ein totes Ochsenauge): Pupille, Auge und innere Haut fungierten als schwarzes Loch, Glas und innere Wand der Camera Obscura.
Gleichwohl zeigt sich uns die Außenwelt auch als innere Projektion. Wahrnehmung ist unmittelbar mit dem Denkprozess verbunden, so dass wir mehr oder weniger instinktiv mithilfe abstrakter und logischer Gedankengänge der Geometrie und Physik das Bild als solches erst im Kopf zusammensetzen. Der Betrachter ist im Grunde blind seinem Verstand ausgeliefert und gezwungen, seiner Vorstellung und seinem Glauben zu vertrauen.
Daniela Friebel bedient sich in ihrer Ausstellung Projektion/ Brasilianische Reise eines fremden Foto-Archivs. Aus mehr als 700 Reisefotografien von einer Pastorin konstruiert sie ihr eigenes Archiv, das nach dem System und der Intention der Fotografin fragt und dabei allgemein das Verhältnis von Wort und Bild, von Projektion und Wahrnehmung untersucht. Sie filtert, wählt aus und fügt die Fotos in ein neues System von Wort, Bedeutung, Motiv und Komposition.
Die wissenschaftliche Methode der Pastorin, mit der sie ihre Reise dokumentierte, wie sie mit zwei verschiedenen Kameras das Gesehene aus verschiedenen Ansichten und unterschiedlichen Blickwinkeln einfing und dies bis ins kleinste Detail akribisch protokollierte, faszinierte Daniela Friebel.
Die Sicht auf die Welt ist eine verändernde, filternde und subjektive Sicht. Was wir wahrnehmen, ist nur die Projektion und Konstruktion der Realität, sowie das Auge (die Camera Obscura oder der Diaprojektor) das Projizierte auf den Kopf stellt, verkleinert, auseinanderfächert und damit aus ihrer Realität (Genauigkeit) löst und in viele verschiedene Ebenen zerstreut. So macht es Friebel auch mit ihrer Fadenarbeit, die sie der Fotoserie gegenübersetzt. Sie spielt mit der Perspektive und mit dem Konstruktionsprinzip der Anamorphosen, berechnet und baut die Illusion eines Raumes und zeichet die Wahrnehmung der Wirklichkeit nach.